Mondmäuse

Millionen von Jahren lebten meine Vorfahren und ich in Ruhe und Frieden miteinander. Wir waren die rosa Mäuse vom Mond und hatten unser Auskommen. Keine Katze bedrohte uns und kein Mensch stellte Mausefallen auf. Wann immer wir Lust hatten, kletterten wir in die Mondkrater und machten Wettrennen, wer als erster wieder oben wäre. Wenn wir müde waren, suchten wir uns einen lockeren Mondstein und verkrochen uns darunter. Nahrung hatten wir in Hülle und Fülle, denn der Mondstaub reichte für uns alle.

Bis dann dieser Tag im Juli 1969 kam: Da war es mit unserer Ruhe vorbei. Plötzlich näherte sich ein riesiger Schatten, der langsam aber sicher auf der Mondoberfläche landete. Entsetzt krochen wir in unser Lager und beobachteten aus sicherer Entfernung das Ungetüm, das nun dort stand.

Lange Zeit geschah gar nichts, bis sich endlich die Tür öffnete und ein seltsames Wesen unseren Boden betrat. Dabei sagte er etwas in einer Sprache, die wir aber nicht verstehen konnten. Er sah aus wie ein Taucher und bewegte sich mit albernen Hopsern fort. Bis zur höchsten Stelle in diesem Mondabschnitt hoppelte er und pflanzten dort einen Stock ein, an dem ein bunt bedrucktes Tuch befestigt war. Dann drehte er sich um und verschwanden wieder in seinem Ungetüm.

Es dauerte nicht lange, da krachte und polterte es, Feuer und Rauchwolken stiegen auf, das Gefährt erhob sich und entschwand so langsam wie es gekommen war.

Endlich war wieder Ruhe eingekehrt in unserer Heimat, so dachten wir, als wir uns von dem Schrecken erholt hatten! Erleichtert machten meine Geschwister und ich uns auf zu neuen Wettrennen in den Kratern.

Plötzlich bemerkten wir, dass wir gejagt wurden. Kleine Wesen, die fast so aussahen wie wir, waren uns auf den Fersen und schnappten nach uns. Sie waren aber nicht rosa, sondern grau und auch ihre Fortbewegung ließ sehr zu wünschen übrig. Schnell schlüpften wir in unser Versteck und sahen zitternd vor Angst zu, wie diese grauen Mäuse vor unserem Lager auf und ab liefen und die Zähne fletschten. Sicher hatten die nichts Gutes im Sinn!

Gott sei Dank waren unsere Mondstaubschubladen gefüllt und wir hielten es einige Tage aus. Dann aber gingen unsere Vorräte zu Ende und wir mussten uns etwas einfallen, wollten wir nicht verhungern. Mein Bruder und ich schlichen zum Hinterausgang, den die grauen Mäuse noch nicht entdeckt hatten, und kletterten hinaus. Wir wollten die Fremden zum Essen einladen, um zu verhindern, dass sie uns fraßen.

Schnell sammelten wir eine Schüssel voll Mondstaub, gingen damit auf die lauernden grauen Mäuse zu und machten eine einladende Pfotenbewegung. Vor ihren Augen begannen wir unsere Leckerbissen zu schlecken. Es dauerte nicht lange, bis sie sich dem Schüsselrand näherten und es uns nachmachten, zuerst vorsichtig und dann immer heftiger. Auch meine jüngern Geschwister trauten sich nun aus dem Versteck und stillten ihren Hunger. Schließlich ließen wir uns alle gesättigt und erschöpft nieder.

Unsere grauen Artgenossen begannen zu piepsen und wir entdeckten, dass wir uns verstanden. Sie erzählten uns, sie seien in dem seltsamen Gefährt gewesen und hätten eigentlich nur ihre Neugier, nicht aber ihren Hunger stillen wollen. Der Kommandant habe dann schneller als geplant die Heimreise angetreten, so dass sie versehentlich auf dem Mond zurückgeblieben seien. Jetzt wollten sie warten, bis das nächste Raumschiff, so nannten sie das Ungetüm, käme und dann wieder zur Erde zurückkehren.

Das ist jetzt schon einige Zeit her. Die grauen Mäuse sind immer noch bei uns. In der Zwischenzeit sind wir Freunde geworden und auf dem Mond gibt es seither rosa Mäuse, graue Mäuse und rosa Mäuse mit grauen Streifen!

Margret Datz